Wie machen Sie das jetzt?

An keinem Eigentümer, keinem Management geht Corona derzeit spurlos vorüber

Alle suchen nach der jeweils bestmöglichen Lösung. Die Reinigungsfirma Reiwag macht in Österreich von Kurzarbeit Gebrauch.

 

Vor mehr als 30 Jahren klopfte Viktor Wagner entlang der Wiener Ringstraße an die Scheiben der Geschäfte und fragte, ob er sie putzen dürfe. Daraus entstand ein Konzern, der in sechs Ländern mit 3000 Mitarbeitenden (vorwiegend Frauen) technische Maintenance und Reinigung mit zuletzt rund 82 Millionen Euro Umsatz betreibt.

 

Der Selfmademan ist in vielen Bereichen Pionier, etwa mit seinem Gang nach Osteuropa, wo er 1991 mit einigen heimischen Konzernen als Kunden sein Business außerhalb Österreichs aufbaute. Oder in der Personalentwicklung und Schulung in der Branche mit doch eher schlechtem Image. Oder in der Einführung von Bonifikationssystemen – ursprünglich ein Fremdwort in diesem Dienstleistungsbereich. Oder in der Vorbereitung von ISO Zertifizierungsnormen.

 

Heute hat er eigentlich, verglichen mit anderen Unternehmen in der Corona-Krise, eine komfortable Position: 100 Prozent Innenfinanzierung, die Firma steckt in einer Stiftung. Er schüttet keine Gewinne aus, außer er muss, wie etwa in Prag im Joint Venture mit der Stadt, die selbiges vertraglich fixiert hat. Diese Erfolgsstory, in den verschiedenen Ländern geschickt adaptiert, ist wohl auch einem schlauen Networking geschuldet. Und jetzt, da kein Shoppingcenter zu reinigen ist, in den Büros die Aufträge wegfallen, weil die allermeisten Mitarbeiter ins Homeoffice verfrachtet wurden? Wo also quasi Putzstopp herrscht? Wagner macht in Österreich von Kurzarbeit Gebrauch. 1800 Mitarbeitende sind betroffen, überwiegend Teilzeitkräfte. Und er richtet gerade einen Hilfsfonds für Härtefälle ein. Er ist kaum zu bremsen, wenn er dafür das Loblied auf das Krisenmanagement der Regierung singt. Ob er auch froh ist, dass die Krankenkassen verschärft kontrollieren und Fokus auf die schwarzen Schafe in der Branche haben? Natürlich, sagt er. Natürlich gebe es Missbrauch und dieser sei abzustellen. Da geht es vor allem um in Selbstständigkeit, besser Scheinselbstständigkeit, gedrängte Mitarbeiter.

 

Aber: Auch die Guten der Branche sind am Mindestlohn (1500 Euro brutto Vollzeit) orientiert. Da spielen natürlich auch die Kunden mit, die gerne technische Dienste wie Heizungswartung, Klimageräte-Instandhaltung und Ähnliches günstig haben wollen. Wagner sagt, er zahle über dem Kollektivvertrag. Was der kluge Unternehmer in der Vergangenheit gemacht hat: Tagesreinigung forcieren – nicht aus dem Grund, so sagt er, um den Nachtzuschlag ab 21 Uhr zu sparen, sondern um die Kunden zu erziehen und Reinigung sichtbar zu machen.

 

Dabei reden wir über Österreich. In den anderen Ländern sind die Problemlagen andere, aber auch da gebe es, wie etwa in Kroatien, Dinge wie Treuebonus. Weil, so berichtet der Alleininhaber, sonst würde er gut geschulte Leute sommers an den Tourismus verlieren. Ob außerhalb Österreichs massiv Kündigungen zu vollziehen seien? Wagner beruft sich auf sein Mittelmanagement, das Gutteils aus Geflüchteten aus dem ehemaligen Jugoslawien besteht, und er gesteht, er wisse noch nicht genau, wie wo gehandelt werden müsse. Zudem sei etwa in Spitälern, in Heimen und anderen Gesundheitseinrichtungen ja verstärkt Personal gefragt. In etwa 100 Jonglierstellen gleichzeitig. Jedenfalls ist er präsent. Auf Youtube für die Mitarbeiter, via Mails und auf vielen anderen Medienkanälen. Er glaubt an den Reiwag-Spirit. Und weiß, dass dieser jetzt besonders an seiner Person hängt.

Quelle: Der Standard, kbau, 29.3.2020